STEAMPUNK

Was ist Steampunk?

Eine Reise in eine Welt, die es so nie gegeben hat und die einem doch bekannt vorkommt...

Anfang der 1980er Jahre wurde der Begriff Steampunk in Großbritanien erstmalig geprägt, erfuhr aber bis heute keine genaue Definition oder Beschreibung. Diese Definition kann auch dieser Artikel nicht liefern. Er soll aber helfen, ein grobes Bild oder besser Gefühl für diese skurile Welt im Rückspiegel der exakten Wissenschaften von heute zu erlangen.

Ursprünglich grob eingegrenzt auf das victorianische Zeitalter, der mechanischen Welt der Dampfmaschinen und nicht wenigen Einflüssen aus der Phantastik- und der frühen Gothik-Szene, ist Steampunk heute das Sammelbecken für Anhänger der mechanischen Romantik geworden. Dabei haben sich verschiedene Spielarten etabliert, die in der folgenden Grafik dargestellt werden. Da die Spezialisierungen auch fließend ineinnander übergehen können, bzw. sich stetig neue Arten entwickeln, ist die Darstellung mit Sicherheit nicht ganz vollständig.

...aber was ist nun Steampunk?

Da es keine "Harte-Fakten-Definition" gibt. versuchen wir uns von der emotionalem Seite her an das Thema anzunähern. Dazu verwenden wir zwei Bilder mit dem gleichen Motiv: ein Aero(Air)-Bus für den Transport vieler Menschen durch die Lüfte. Links ist ein französisches Sammelbild, gedruckt um 1905 zu sehen. Kurz zuvor hatte der nach Connecticut ausgewanderten Franke Gustav Weißkopf (1874–1927) gerade den ersten kontrollierten Motorflug, selbst am Steuer sitzend, am 14. August 1901 absolviert. Der Mensch hatte damit angefangen, den Luftraum dauerhaft zu erobern.

Die Brüder Wright mit ihrer "The Whopper Flying Machine" taten es Weßkopf am 17. Dezember 1903 in Kitty Hawk (North Carolina) nach, wobei sie sich weit geschickter in den Medien darstellten, so das sie den Ruhm des ersten Motorfluges ernteten. Bei vier Flügen an diesem denkwürdigen Tag wurde eine Flugzeit von 12 bis angeblich 59 Sekunden und eine Strecke von 37 bis angeblich 259,7 Metern erreicht, also eher kleine Hüpfer als ein kontrollierter Streckenflug. Auch wenn sich die Fliegerei in den folgenden zehn Jahren sehr schnell weiter entwickelte, kannte man zum Erscheinen der Sammelkarte (etwa 1905) nur Fluggeräte, die Kastendrachen ähnelten (die übrigens schon erfolgreich beim Militär und in der Meteorologie eingesetzt wurden) oder die wie Gleiter von Otto Lilienthal aussahen, mit Tragflächen die noch stark an das Design von Vogelflügeln erinnerten. So kombinierte man das damals Bekannte mit der Kabine einer Straßenbahn, die mit der Elektrizität ebenfalls als technische Neuheit gefeiert wurde. Eine rotierende Tragschraube (die aus Leonardo da Vinci`s Skizzen bekannt war) ergänzte den fliegenden Zukunftsbus. Da das Entwicklungstempo damals noch realiv langsam war, stellte man sich aus Sicht um 1900 die Zukunft im Jahre 2000 eben genauso vor, wie auf dem Sammelbild wiedergegeben. Auf dem rechten Bild dann die heutige Realität: 569 Tonnen (maximale Startmasse) in der Luft beim Airbus 380-800 (für maximal 868 Passagiere). Alles aerodynamisch optimiert, jedes Kleinteil vom Computer ideal berechnet, der puren Zweckmäßigkeit unterworfen. Dieses Flugzeug hat die Grenzen des heute technisch Machbaren in der Fliegerei ausgelotet. Was hat das aber mit Steampunk zu tun? Ganz einfach. Jetzt schauen wir aus der Gegenwart in den Rückspiegel und sehen uns nochmal das Sammelbild an. Die Sicht auf diese vergangene Utopie ist quasi die Blaupause für den Steampunk. Es entsteht eine Welt, die nicht so optimiert wie die heutige ist, in der man jedes technische Gerät auch ohne Hochschulstudium versteht, man Dinge noch selbst reparieren kann und der Glaube an die technische Enwickklung ohne negativen Beigeschmack praktiziert wird. Jeder kann sofort ohne übergroßen Aufwand zum Erfinder werden. In dieser Utopie braucht man nicht optimieren, wird großzügig gedacht und gebaut und sich bei Ausschmückungen und nichtfunktionalen Schmuck-Details reichlich bedient. In Summe haben all diese Attribute das Zeug dazu, ein Wohlfühl-Klima für eine heutige Freizeitbeschäftigung zu erzeugen - ein Gegengewicht zur hektischen, oftmals unruhigen Gegenwart zu bilden. Letztendlich ist Steampunk eine technische Romantik und eine große Portion Humor, gewürzt mit einer Prise sinnfreier Naivität für eine sinnvolle Freizeitgestaltung.

`Wie bitte…?` fragt der Außenstehende jetzt `…eine sinnvolle Freizeitgestaltung mit sinnfreien Inhalten?`. Mitnichten: für viele ist der Recycling-Gedanke der den Steampunk-Bastelleien zu Grunde liegt nicht ganz unwichtig. Alte Materialien und Gegenstände werden nicht weggeworfen, sondern auf eine neue Verwendbarkeit geprüft und kommen abgewandelt wieder zum Einsatz. Das ist schon wieder hochmodern und zukunftsweisend. Auch das Zusammenkommen mit Gleichgesinnten auf den unzähligen nationalen und internationalen Steampunk-Treffen ist sicher eine Bereicherung, der Austausch untereinander immer unterhaltsam und kreativ. Manch einer hatte vor der Bekanntschaft mit der Bastelszene des Steampunks zwei linke Hände – die verliert er spätestens beim Bau seiner eigenen Ausrüstung…

Der Urknall: die frühen Si-Fi-Schriftsteller

Die Wurzeln des Steampunks sind aber schon sehr weit früher gelegt worden. Schriftsteller wie der bekannte Franzose Jules Verne (* 8. Februar 1828 in Nantes; † 24. März 1905 in Amiens) oder u.a. der Deutsche Kurd Laßwitz (* 20. April 1848 in Breslau; † 17. Oktober 1910 in Gotha) schrieben vor 1900 die ersten Sience-Fiction-Romane. Das damals in die Zukunft weisende Weltbild in diesen Büchern ist heute die Blaupause für die rückbesinnliche Welt des Steampunks.

Der weniger bekannte Autor Simon Newcomb (kanadischer Mathematiker und Astronom, 1835-1909) schrieb kurz vor 1900 den Roman "His Wisdom, the Defender", aus dem die nachfolgend abgebildete Illustration stammt.

Das bewegte Bild: der Film als Multiplikator

Neben den literarischen Wurzeln des Steampunks wurden um 1905 Si-Fi-Themen auch in der Cinematographie aufgegriffen und damit einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Als sehr frühes Werk sei hier stellvertretend der 1902 (noch in der victorianischen Epoche!) von Georges Méliès (* 8. Dezember 1861 in Paris; † 21. Januar 1938) geschaffene narrative Stummfilm "Die Reise zum Mond" (->Film auf Youtube) zu erwähnen, ein Werk in dem Méliès erstmals die "Stop-Motion-Technik" im größeren Stil einsetzte. Der Film wurde bis heute unzählige Male zitiert und adaptiert, so u.a. im 3D-Kinofilm "Hugo Cabret" oder in Musikvideos von Smashing Pumpkins. Ebenfalls aus der Hand von Méliès: "Voyage A Travers L'Impossible" (->Film auf Youtube)

1927 dann ein weiterer Film: "Metropolis" von Fritz Lang (* 5. Dezember 1890 in Wien; † 2. August 1976 in Beverly Hills, Kalifornien; eigentlich Friedrich Christian Anton Lang), ein Meilenstein der Filmgeschichte und der Tricktechnik im Film. Inspiriert durch einen Besuch in New York thematisierte Lang die Geschichte einer monströsen, ausufernden und inhumanen Wolkenkratzer-Stadt mit düsternen Visionen für die Zukunft. Erstaunlicherweise kamen die Themen einer fiktiven Gesellschaft in der Zukunft zu seiner Zeit noch nicht so gut an, so das der Film ein finanzielles Debakel wurde. Ausufernde Produktionskosten standen der mäßigen Akzeptanz an den Kino-Kassen gegenüber und gefährdeten die Universum Film AG (UFA). Heute spricht man bei "Metropolis" von einem wegweisenden Kult-Klassiker.

Im Jahre 1957 betrat mit den Film "Die Erfindung des Verderbens" (nach Jules Verne) ein weiterer Vertreter der skurilen "Victorian Art" die Bühne: Karel Zeman (* 3. November 1910 in Ostroměř; † 5. April 1989 in Prag, siehe ->Wikipedia, oder Karel-Zeman-Museum). Er setzte mit seiner Tricktechnik, in der er gezeichnete Bilder im Kupferstichstil alter Gazetten mit echten Szenen zusammenführte, neue Maßstäbe. Er baute räumliche Kulissen aus Holz und Pappe und spielte genial mit optischen Täuschungen. Trotz mangelwirtschaftlichen Einschränkungen gelangen ihm große Effekte, die noch heute faszinieren.

Von ihm folgten noch zwei weitere Filme dieser Art ( 1967 „Das gestohlene Luftschiff“ und 1970 „Auf dem Kometen“). Nachfolgend einige Szenenbilder von Zemans Filmen:

Die steampunkigen Filme der Neuzeit kommen zum Großteil aus Hollywood ("Wild Wild West" u.a.). Deshalb mal einen weniger bekannter Animationsfilm als Beispiel aus der Gegenwart. 2005 schuf der Australier Anthony Lukas den 26 minüigen Film "The Mysterious Geographic Explorations of Jasper Morello", dessen Schattenriss-Charakter an die frühen Animationsfilme erinnerte. Der Streifen wurde für den Oskar nominiert und gewann zahlreiche Auszeichnungen auf Filmfestivals rund um den Globus.

Karl-Hans (Joachim) Janke: ein Sonderfall der keiner war

Es gibt immer wieder Überraschungen, wenn man das Internet nach technischen Erfindern durchforstet, Menschen die still im eigenen Kämmerchen oder wie im nachfolgenden Fall weggeschlossen in der Psychiatrie in ihrer eigenen Welt leben. Karl-Hans (Joachim) Janke (* 21. August 1909 in Kolberg, Pommern; † 15. Februar 1988 in Wermsdorf) war ein deutscher Künstler und pathologischer Erfinder. Er verfertigte zahlreiche Modelle und Zeichnungen hauptsächlich zur Luft- und Raumfahrttechnik. Seine Arbeiten sind heute als bedeutende Kunstwerke der Art brut anerkannt. Auf über 3000 detaillierten Zeichnungen, von denen heute noch rund 2000 erhalten sind, veröffentlichte er seine Visionen und Erfindungen, die zum einen abstrus und wirklichkeitsfremd, zum anderen aber auch sehr praktisch waren. So entwickelte er einen Tintenroller-Stift noch bevor die heutigen Versionen auf dem Markt waren oder entwarf einen Farb-Bild-Projektor, noch bevor es den Begriff Beamer überhaupt gab. Janke ist auch Urheber einiger eigener Wortschöpfungen wie beispw. "Trajekte" = Flugzeuge ohne Benzin oder Strom. Dabei waren nicht alle seiner Ideen nur Fiction. Janke war Inhaber zweier bestätigter Patente von denen eines ein Navigationsgerät war. ( ->Filmbiografie auf bittub / ->Biografie auf Wikipedia / ->Website über den Künstler ) Nachfolgende Abbildung: Deutsches Raum-Trajekt "Venusland" (Weltallfahrzeug D-001) und eine weitere, detaillierte Zeichnung eines seiner Projekte, gezeichnet von Janke.

Inzwischen hat man sich vom Bild des "armen Irren" verabschiedet und seine gezeichneten Werke werden vielfach in Ausstellungen gezeigt. Karl-Hans (Joachim) Janke würde heute als Steampunker in dem Bereich Diesel- und Atompunk durchgehen und mit all seinen Eigenarten sicher nicht mehr weg gesperrt werden... Grund genug, um an den außergewöhnlich arbeitsreichen Künstler und Erfinder zu erinnern.

Weblinks zum Thema:
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